Zu zweit ist man weniger allein
Meine Erfahrungen in der Selbsthilfegruppe
In einer Selbsthilfegruppe treffen Individuen aufeinander, jeder mit seiner Persönlichkeit, seiner Geschichte, seinen Wünschen, Ängsten und Hoffnungen.
In meinem Fall waren wir sechs Frauen*, alle mit Erfahrungen der sexuellen Gewalt. Egal wie häufig und egal wie heftig, sie verändert das Leben grundsätzlich und jede Einzelne sucht ihren Weg, damit umzugehen. An einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen kann eine große Hilfe sein, insbesondere wenn Frau* sich darauf einlässt.
Die ersten Stunden wurden genutzt, um sich gegenseitig kennenzulernen, eigene Ziele zu verfassen und Regeln des Miteinanders während und auch außerhalb der Gruppensitzungen festzulegen. Diese Stunden wurden von einer Therapeutin* geleitet, später waren wir dann auf uns selbst gestellt. Das hat mir am Anfang Angst gemacht, im Nachhinein war es meiner Meinung nach gut so, denn bei einer Therapeutin* habe ich doch manchmal den Gedanken „Ja, das hat sie gut aus ihrem Buch gelernt, aber sie fühlt nicht das, was ich fühle, hat nicht diese innere Zerrissenheit und das Gedanken-Wirrwarr.“ Kurz: „Sie versteht mich nicht richtig.“ Anders war es für mich in der Selbsthilfegruppe. Dort waren alle Betroffene „Profis“ auf ihrem Gebiet, die wussten, wovon sie sprechen und die wussten und auch verstanden und fühlten, wovon ich spreche. Die Gespräche fanden „auf Augenhöhe“ statt, was dem ganzen viel Druck nahm. Zur Einzelsitzung gehe ich oft mit einem mulmigen Gefühl, schließlich dreht sich wieder alles um mich und meine Probleme. In die Selbsthilfegruppe zu gehen war für mich indes viel leichter. Wollte ich dort an diesem Tag nicht so aktiv sein, wurde dies akzeptiert und ich konnte einfach „nur“ zuhören. „Nur“ heißt für mich, dass ich gerade in solchen Stunden Erkenntnisse bekam wie z.B. dass bei Anderen die Probleme viel verzwickter und verschachtelter sind als bei mir und/oder sich nicht so klar zeigen.
Am Anfang einer Sitzung machten wir eine „Ist“-Runde, in der jeder erzählte, was sie in der vergangenen Woche beschäftigt hat und was sie als Thema vorschlägt. Diese Runde war für mich in zweierlei Hinsicht wichtig, einmal um anzukommen und zum Zweiten als Möglichkeit, auch von den Stilleren etwas mitzubekommen. Wurde in dieser Runde kein Thema gefunden, schauten wir auf unsere Themensammlung, die wir angelegt hatten. Das Thema, mit dem die meisten aktuell etwas anfangen konnten, wurde dann zum Gruppenthema und gemeinsam besprochen. Die Sammlung war in „Belastbarkeitskreise“ eingeteilt, außen die weniger belastenden Themen wie z.B. „Körpergefühl“ oder „Vertrauen“ und innen die als sehr belastend wahrgenommenen, wie z.B. „Dissoziation“ oder „Täterkontakt“. So groß wie die Bandbreite der Themen war auch die Dynamik der Gruppensitzungen. Mal eher locker und sogar lustig, dann wieder aufwühlend und anstrengend. Auch Konflikte untereinander gab es natürlich, allerdings konnte ich dadurch z.B. die Erfahrung machen, dass ein Konflikt nicht gleichzustellen ist mit genereller Ablehnung oder Kontaktabbruch, wofür ich sehr dankbar bin.
Unsere Gruppe lief über 3 Jahre und löste sich dann auf, da sich gleich bei zwei Teilnehmerinnen neues Leben ankündigte. Für mich ein positives, gutes Ende, mit der Einsicht und Hoffnung: „Der Kampf ist hart, aber er lohnt sich!“
Von Christina